- Köln im Mittelalter
- Köln im MittelalterDer Name »Köln« weist auf den römischen Ursprung der Stadt, die unter Kaiser Claudius 50 n. Chr. in den Rang einer »colonia«, einer römischen Kolonie, erhoben wurde. Diese Niederlassung stieg zur Hauptstadt der Provinz Niedergermanien auf, in der ein Statthalter als direkter Vertreter des Kaisers residierte. Mit dem Untergang des Römischen Reichs verlor die Stadt ihre zentrale Bedeutung. Auch wenn die merowingischen Könige in den erhaltenen Teilen des römischen Statthalterpalastes um 500 eine Pfalz einrichteten und der weiterhin bestehende Bischofssitz eine Kontinuität der Besiedlung garantierte, verödeten doch weite Teile des ehedem 100 ha umfassenden städtischen Areals; einen urbanen Charakter bewahrte vornehmlich das östliche, zum Rhein gewandte Stadtgebiet jenseits der römischen Hauptstraße (heute »Hohe Straße«).Erst die Eroberung Sachsens durch Karl den Großen beendete im 8. Jahrhundert den Niedergang Kölns, das nun aus seiner geopolitischen Randlage heraustrat. Die Stadt wurde geistliches Zentrum für ein weites Missionsgebiet jenseits des Rheins, dem die von Karl gegründeten Bistümer Münster, Minden, Osnabrück und Bremen unterstellt wurden. Welche Bedeutung Karl dem Standort Köln zumaß, wird in der Person Hildebolds deutlich: Dieser Kölner Erzbischof war der ranghöchste Geistliche am Aachener Hof und ein enger Berater Karls. Hildebold legte den Grundstein für den Bau des Alten Doms (»Hildebold-Dom«). In seinen Urkunden führte Köln erstmals den Titel »heilig«.Der Entwicklung Kölns zur Kirchenmetropole folgte der politische Aufstieg erst 150 Jahre später nach. König Otto I. übertrug seinem Bruder Bruno 953 die Herrschaft über das Herzogtum Lotharingien, zu dem Köln damals gehörte. Als Kölner Erzbischof und Landesherr vereinte Bruno gemäß dem Verständnis ottonischer Reichspolitik geistliche und weltliche Macht in einer Hand. Unter seiner Ägide wuchs Köln zur bedeutendsten Metropole des ottonischen Reichs heran. Die ihm nachfolgenden Erzbischöfe sollten über 300 Jahre lang die Stadtherrschaft ausüben. Ihnen unterstanden bis zum 12. Jahrhundert alle bedeutenden Bereiche des öffentlichen Lebens: Gerichtsbarkeit, Wehrhoheit, Handel, Gewerbe, Münz-, Zoll- und Steuerwesen. Einen Sonderstatus sicherten sie sich in der Reichspolitik: Sie hatten das Vorrecht, die deutschen Könige im Aachener Dom zu krönen, und übten seit Erzbischof Pilgrim 1031 das Ehrenamt des Erzkanzlers für Italien aus.Zur Zeit Brunos dürfte Köln sich wieder zum wichtigsten Handelszentrum am Rhein entwickelt und mit etwa 15 000 Einwohnern den Bevölkerungsstand der Römerzeit erreicht haben. Das alte Stadtareal, zu dessen Schutz die römische Stadtmauer des 1. Jahrhunderts instand gesetzt worden war, wurde damals durch die Verlängerung der alten Wehrmauer zum Rhein hin erweitert, um das mittlerweile von Kaufleuten und Händlern besiedelte Gebiet einer ehemals vorgelagerten Rheininsel (heute das Martinsviertel) in die Stadt einzubeziehen. Die Attraktivität der Rheinmetropole ließ den Strom von Zuwanderern nicht versiegen, die sich auch vor den Stadttoren an den alten Handelsstraßen im Umfeld bereits vorhandener Stifte niederließen. Die Integration der sich hier bildenden Vororte erfolgte mit der zweiten Stadterweiterung im Jahre 1106, bei der man in höchster Eile die noch ungeschützten Bezirke mit Wallanlagen sicherte - stand doch ein Angriff Heinrichs V. bevor, dessen Feind und Vater, Kaiser Heinrich IV., in der Stadt Schutz gefunden hatte. Das befestigte Stadtareal wuchs damals auf über 220 ha, auf denen rund 25 000 Menschen lebten. Köln war damit - was auch zeitgenössische Quellen bekunden - die größte Stadt Deutschlands geworden.Noch im 12. Jahrhundert wurde mit dem Bau einer weiter vorgelagerten neuen Stadtmauer zugleich eine dritte Stadterweiterung vorgenommen. Das zwischen 1180 und 1250 errichtete Bollwerk war mit 8 km Länge die größte Stadtmauer, die jemals nördlich der Alpen errichtet wurde. Es umschloss halbkreisförmig ein auf 400 ha fast verdoppeltes städtisches Areal, das zum Zeitpunkt der Fertigstellung etwa 40 000 Kölnern Sicherheit bot. Neben 52 Wehrtürmen besaß dieses gewaltige Befestigungswerk zwölf repräsentative Torburgen - eine wehrtechnisch sinnlose Anzahl, die allein den Anspruch unterstreichen sollte, irdisches Abbild des zwölftorigen Himmlischen Jerusalem zu sein. Der damals erreichte Bevölkerungsstand dürfte aufgrund der Pestepidemien des 14. und 15. Jahrhunderts (besonders 1349 und 1451) sowie des wirtschaftlichen Niedergangs Kölns zwischen dem 16. Jahrhundert und 19. Jahrhundert nicht mehr überschritten worden sein.Als die eigentliche Blütezeit des mittelalterlichen Köln darf das staufische Jahrhundert bezeichnet werden: Für keine Epoche davor oder danach lässt sich eine solche Bauleistung nachweisen wie für den Zeitraum zwischen 1150 und 1250. Im »großen Jahrhundert kölnischer Kirchenbaukunst« sind allein 28 Neubauten von Kirchen zu belegen. Hervorzuheben sind die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten ehemaligen Stiftskirchen Sankt Andreas, Sankt Aposteln, Sankt Caecilien, Sankt Georg, Sankt Gereon, Groß Sankt Martin und Sankt Kunibert sowie die Pfarrkirche Sankt Maria in Lyskirchen. Die enormen Anstrengungen, die im Kirchenbau unternommen wurden, erfolgten vor dem Hintergrund einer wachsenden Reliquienverehrung, die in Köln im 12. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erreichte. Durch die Vereinnahmung tausender Gebeine, die man aus römisch-fränkischen Gräbern in und um Sankt Ursula sowie Sankt Gereon barg und auf lokale Märtyrerlegenden bezog, wuchs der Ruhm Kölns als »Heilige Stadt«. An Anzahl der Heiligen wurde Köln lediglich noch von Rom übertroffen.Als in besonderer Weise prestigefördernd erwies sich die Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln durch Erzbischof Rainald von Dassel 1164. Die in Aachen gekrönten deutschen Könige begaben sich fortan nach ihrer Inthronisation nach Köln, um im Alten Dom (seit dem 14. Jahrhundert im gotischen Domchor) diesen Vorbildern zu huldigen, die man als erste christliche Herrscher verehrte. Welche Bedeutung den Reliquien der Heiligen Drei Könige im Mittelalter zukam, verdeutlicht der für sie geschaffene Dreikönigenschrein, der zu den kostbarsten Goldschmiedearbeiten schlechthin zählt. Auch der Bau des neuen Doms, mit dessen Grundsteinlegung 1248 die Gotik in Köln Einzug hielt, muss in Zusammenhang mit den als »Staatsreliquien« verehrten Gebeinen der Heiligen Drei Könige gesehen werden, für die man ein repräsentativeres architektonisches Gehäuse wünschte. Es vermag nicht zu verwundern, dass diese Stadt der Heiligen auch bedeutende geistliche Gelehrte in ihren Bann zog. Albertus Magnus begründete hier mit dem Generalstudium der Dominikaner eine Lehranstalt europäischen Ranges, an der auch sein bedeutendster Schüler, Thomas von Aquino, wirkte. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stand diese Bildungsstätte unter Meister Eckhart sowie dessen Schülern Johannes Tauler und Heinrich Seuse im Zentrum der Deutschland erfassenden Frömmigkeitsbewegung der Mystik.Der Aufstieg Kölns im Mittelalter beruhte vor allem auf den wirtschaftlichen Leistungen seiner Bürger. Gegenüber ihrem erzbischöflichen Stadtherrn traten diese daher immer selbstbewusster auf. Dies bekam erstmals der hochfahrende Anno II. zu spüren, als er durch die willkürliche Beschlagnahmung eines Handelsschiffes im Jahr 1074 eine Revolte auslöste: Anno musste aus der Stadt fliehen, war aber binnen weniger Tage wieder Herr der Lage. Nunmehr kam aber eine politische Entwicklung in Gang, die im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts schrittweise zur Entmachtung der Erzbischöfe führte. Die erste wesentliche Konzession musste Erzbischof Friedrich I. zwischen 1114 und 1119 seinen Untertanen machen: Er gestand ihnen zu, ein eigenes Stadtsiegel zu führen - das erste städtische Siegel, das sich für eine deutsche Stadt nachweisen lässt. Wohl schon zur Zeit dieses Erzbischofs entstand mit der »Richerzeche«, der Genossenschaft der Reichen, das erste vom Erzbischof unabhängige Organ einer städtischen Selbstverwaltung. Die in dieser kommunalen Körperschaft versammelte Elite aus vermögenden Bürgern vermochte den Erzbischöfen schrittweise wichtige Befugnisse abzutrotzen, etwa die Verleihung der Zunftrechte, die Aufsicht über Handel und Gewerbe und schließlich die Verleihung des Bürgerrechts. Die Richerzeche tagte im »Haus der Reichen« in der Judengasse, das mit dem 1149 erstmals erwähnten »Haus der Bürger« identisch sein dürfte. Mit diesem Versammlungsort stand den führenden Bürgern ein erstes Rathaus zur Verfügung - lange bevor sich ein solches in anderen deutschen Städten nachweisen lässt.Die wachsende Macht der bürgerlichen Elite zeigte sich auch auf dem Gebiet der Wehrhoheit: Im Jahr 1180 billigte Kaiser Friedrich I. Barbarossa einen zwischen Erzbischof und Bürgerschaft geschlossenen Vertrag über die Erweiterung und den Ausbau der Stadtbefestigung; in der »Barbarossa-Urkunde« erscheinen die Kölner (»cives colonienses«) erstmals als gleichberechtigter Vertragspartner des Erzbischofs. Die Erteilung des Sorgerechts für die Befestigung durch König Philipp von Schwaben bedeutete 1207 schließlich die volle Wehrhoheit für die Bürger Kölns. Die allmähliche Verschiebung des Kräfteverhältnisses verdeutlicht auch die Entstehung eines weiteren städtischen Organs, des für 1216 erstmals bezeugten Rates. Diese städtische Institution stieg im Verlauf des 13. Jahrhunderts zur bedeutendsten kommunalen Einrichtung auf. Ihre Mitglieder kamen spätestens seit Ende des 13. Jahrhunderts nur noch aus dem Kreis der vornehmen Kölner Familien, dem Patriziat. Da die 15 Ratsherren ihre Nachfolger selbst vorschlagen konnten, kristallisierte sich ein »Clan« aus 15 ratsfähigen Familienverbänden heraus, welche die Stadt im 14. Jahrhundert beherrschen sollten.1262 vollzog sich der Machtwechsel zwischen Erzbischof und Patriziat endgültig: Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg wurde aus der Stadt vertrieben, nachdem er unter Anwendung von Waffengewalt versucht hatte, seine Ansprüche - so auf das städtische Steuereinkommen - durchzusetzen. Nach der Niederlage, die Engelberts Nachfolger Siegfried von Westerburg 1288 in einer der letzten großen Ritterschlachten des Mittelalters (bei Worringen nördlich von Köln) gegen Herzog Johann I. von Brabant und nicht zuletzt auch gegen die Kölner Bürger erlitt, war die erzbischöfliche Vorherrschaft am Niederrhein gebrochen. Die nun vornehmlich in Bonn (das heißt auf der Godesburg) residierenden Kölner Erzbischöfe stellten fortan keine konkrete Bedrohung mehr für die städtische Freiheit dar. Köln war faktisch »freie Reichsstadt« und damit nur noch dem Kaiser untertan. Die offizielle Bestätigung dieses Status erfolgte allerdings erst 1475 mit dem »Reichsstadt-Privileg« Kaiser Friedrichs III.Die Herrschaft der Patrizier, auch als »Geschlechter« bezeichnet, währte bis 1396. Ihre größte Tat vollbrachte diese Oligarchie der reichen Handelsherren mit der Gründung der Universität im Jahr 1388. Köln erhielt damit die erste deutsche Hochschule, die ihre Existenz nicht einer fürstlichen, sondern einer städtischen Initiative verdankte. Da die Patrizier sich aber um 1325 ständisch abschlossen und den Aufstieg weiterer Familien in Rat und Richerzeche verhinderten, blieben Konflikte nicht aus. Denn die breite Schicht von Kaufleuten und gut situierten Handwerksmeistern, die im 14. Jahrhundert zu Wohlstand gelangt war, drängte auf Beteiligung an der Macht. Die sozialen Spannungen entluden sich erstmals 1370/71 im Weberaufstand, der von den Geschlechtern noch niedergeschlagen werden konnte. Ihr Sturz folgte jedoch im Jahre 1396 und wurde im »Verbundbrief« besiegelt: Der Name dieser vordemokratischen Stadtverfassung, die bis zum Einmarsch der Franzosen 1794 formal Gültigkeit behalten sollte, erinnert an das Bündnis der Kaufleute und Handwerker, die sich in 22 politischen Dachverbänden, den »Gaffeln« (der Begriff leitet sich von der Tranchiergabel ab, mit der man ein gemeinschaftliches Festmahl eröffnete), zusammenschlossen. Ihrem politisch-wirtschaftlichen Gewicht entsprechend, bestimmten die Gaffeln je einen, zwei oder vier Ratsherren, die dann aus ihren Reihen die beiden Bürgermeister nominierten. Aufgrund dieses Verfahrens besaß erstmals eine größere Zahl Kölner Bürger Interessenvertreter im Rat und damit Einfluss auf die Politik der Stadt. Allerdings wandelte sich der Rat schon im 15. Jahrhundert zu einer geschlossenen Honoratiorengesellschaft, die von reichen Kaufmannsfamilien dominiert wurde.Grundlage der bürgerlichen Emanzipation war die auf besonders günstigen Handelsbedingungen fußende Wirtschaftskraft der am Übergang von Mittelrhein zum Niederrhein gelegenen Metropole. Von der Nordsee kommend, mussten seetüchtige Schiffe, die »Niederländer«, wegen ihres Tiefgangs ihre Reise in Köln beenden. Wer ins Mittelrheintal einfahren wollte, musste hier seine Waren auf die flacheren »Oberländer« umladen, die überwiegend bis Mainz oder Frankfurt am Main verkehrten. Diesen Standortvorteil schrieben die Kölner im »Stapelrecht« fest, das Erzbischof Konrad von Hochstaden ihnen 1259 gewährte: Auswärtige Kaufleute mussten ihre Waren drei Tage auf den Kölner Märkten anbieten, bevor sie diese, nun mit dem anerkannten Gütesiegel »Kölner Ware« versehen, wieder verschiffen konnten. Ein ausgeklügeltes System indirekter Steuern sorgte dafür, dass die Truhen der städtischen Rentkammer nie leer wurden: Man erhob Zoll, Kranengeld (nur mit städtischen Kranen am Rheinufer durfte be- und entladen werden) sowie Gebühren für das Wiegen, Lagern und die Qualitätskontrolle. Um ein lückenloses Erfassen aller Waren sicherzustellen, ging man Mitte des 14. Jahrhunderts dazu über, den Handel zu konzentrieren, indem man für besonders umsatzträchtige Produkte wie Textilien, Metallwaren und Gewürze städtische Kaufhäuser errichtete.Der wichtigste Handelspartner Kölns war im Mittelalter London, gefolgt von Antwerpen, Brügge und Frankfurt am Main. In London besaßen Kölner Kaufleute eine eigene Gildehalle, die der englische König Heinrich II. 1157 unter seinen Schutz nahm. Köln exportierte vor allem Weine vom Mittel- und Oberrhein, Metalle und in Köln gefertigte Metallwaren, sodann typisch kölnische Textilprodukte wie Seiden- und Wolltücher, Leinen und Garn. Das Textilgewerbe spielte in Köln eine herausragende Rolle. Neben Paris kristallisierten sich nur hier im Spätmittelalter reine Frauenzünfte heraus - eine singuläre Entwicklung im europäischen Raum. Die Zünfte der Garnmacherinnen (nach 1370), Goldspinnerinnen (ab 1397), Seidmacherinnen (1437) und Seidenspinnerinnen (1456) belegen nicht nur die mit keiner anderen deutschen Stadt vergleichbare wirtschaftliche Selbstständigkeit, die Kölner Frauen erringen konnten, sondern auch den hohen Grad der Spezialisierung im verarbeitenden Gewerbe.Als sich im 16. Jahrhundert ein Kontinente übergreifender Welthandel zu etablieren begann, blühten die Seestädte auf, während sich die Binnenlage Kölns nun als Nachteil erwies. Den um 1500 einsetzenden Niedergang der Stadt, über den auch der Glanz der in seinen Mauern abgehaltenen Reichstage von 1505 und 1512 nicht hinwegtäuschen konnte, forcierte die starre, bis 1794 gültige Zunftordnung, die jede Innovation, vor allem die Ansiedlung neuer Gewerbe, verhinderte. Die freie Reichsstadt zehrte nurmehr vom verblassenden Ruhm vergangener Zeiten.Dr. Ulrich Bock
Universal-Lexikon. 2012.